AWIEW / Bildwelten

Im Projekt „AWIEW” entwickeln wir derzeit unsere Konzepte zu digitalen Prototypen weiter. Dabei achten wir auf eine inklusive Gestaltung auf mehreren Ebenen: Die visuelle Umsetzung soll barrierearm, verständlich und für alle Nutzer*innen zugänglich sein. Darüber hinaus berücksichtigen wir Diversity-Aspekte wie Race und Gender direkt in der Gestaltung.

Die Gestaltung umfasst unterschiedliche Module des Tools, die wir sukzessive entwickeln. Für das Modul „Berufsinteressenstest“ ist unser Ziel, ein ganzheitliches, kohärentes Erscheinungsbild zu schaffen, sodass Berufe und berufliche Tätigkeiten erkannt und eingeordnet werden können, ohne stereotype Zuschreibungen zu reproduzieren.

Unsere Recherche zu bestehenden Formaten der barrierefreien Kommunikation sowie zu Materialien zur beruflichen Orientierung für Menschen mit Behinderung hat ergeben, dass die aktuell verwendeten Grafiken, Icons und Fotos nicht zielgruppengerecht gestaltet sind, starren Symbolsystemen folgen oder schlichtweg nicht mehr zeitgemäß sind. Unsere Überzeugung: Da geht mehr.

Bildwelten-Workshop im FranzLAB

In einem Museumsworkshop haben wir gemeinsam mit unseren Co-Designer*innen verschiedene Illustrations- und Zeichenstile erkundet, verglichen und diskutiert. Aus diesen Prozessen ist ein erstes „Grundrezept“ für die Bildsprache des Berufsinteressenstests entstanden, das wir im Team kontinuierlich verfeinert haben.

Im Mittelpunkt stehen stets handelnde Menschen, dargestellt als realistische Cartoon-Figuren, die durch klare berufstypische Kleidung, ein erkennbares professionelles Setting und einen sinnvoll ausgearbeiteten Hintergrund eindeutig verortet werden. Die Illustrationen bleiben reduziert, aber nicht zu simpel, zeigen auf Wunsch auch Doppelsituationen zur Verdeutlichung von Rollenbeziehungen und vermeiden unnötige Details, sodass die berufliche Tätigkeit schnell verstanden wird.

Beim Museumsworkshop äußerte sich einer der Teilnehmenden zu der von uns gestalteten illustrierten Figur:

»Die Figur ist so divers, da kann man sich reinversetzen.«

Das positive Feedback, das sowohl Identifikation mit dem Bildmaterial als auch Diversität abbildete, wurde als zentrales Element unserer Bildwelten für den Berufsinteressenstest ausgewählt.

Bildwelten-Workshop in der Förderschule

Dieses Konzept haben wir in größerem Umfang in der Förderschule des Franz Sales Hauses getestet.

Viele Darstellungen lösten bei den Schüler*innen spontane Assoziationen aus – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Bildwelten intuitiv zugänglich sind. Berufe wurden durch Kontext, Kleidung und „Werkzeuge“ als die intendierten erkannt. Die Illustrationen der Figuren fielen in diesem Workshop jedoch eher in gender- und race-typische Rollenbilder: Der Mann arbeitet auf der Baustelle, die Frau im Büro. Alle Figuren haben einen hellen Hautton.

Das Grundprinzip der Verbindung von realen Hintergrundbildern mit illustrierten Figuren hat sich bewährt. Es machte jedoch eine Überarbeitung der Figurenillustration erforderlich, um stereotype Darstellungen hinsichtlich Geschlecht und Ethnie zu vermeiden.

Die Figur

Nachdem der Illustrationsstil und das Bildrezept festgelegt waren, konzentrierte sich die Aufgabe auf die Entwicklung der Figur selbst. Hierbei wurden wir durch das zuvor genannte Co-Designer-Zitat bestärkt, in dem die Diversität der ersten Entwürfe gelobt wurde. Gleichzeitig fiel auf, dass die danach entstandenen Figuren ausschließlich helle Hauttypen abbildeten und dass die Gefahr bestand, je nach Beruf sofort Geschlechtervorurteile zu manifestieren. Die zentrale Frage lautete daher: „Wie stellen wir Personen dar, mit denen sich möglichst viele Nutzer*innen identifizieren können?“

Die Darstellung von Personen hinsichtlich Gender erwies sich als moderate Herausforderung. Durch eine kurze lockige Frisur und einen eher breiteren Körperbau konnten genderneutrale Aspekte berücksichtigt und umgesetzt werden. Dies war eine bewusste Entscheidung, um Raum für individuelle Projektion zu schaffen.

Die Wahl der Haut- und Haarfarbe stellte hingegen eine größere Herausforderung dar. Es entstanden mehrere Entwürfe mit unterschiedlichen Hauttönen in Grau- und Pastelltönen, wobei Probleme bei der Menschlichkeit der Figur oder der Orientierung an hellen Farben erneut Identifikationsprobleme aufwarfen.

Die Idee, einen lila Hautton zu verwenden, eröffnete neue Möglichkeiten. In Kombination mit lila Haaren war es unser Versuch, die Figur klar zuordenbaren kulturellen Kategorien zu entziehen und symbolisch den Raum für alle zu öffnen.

Zunächst sah es so aus, als würde es gut funktionieren, aber beim Illustrieren fiel auf, dass die lila Hautfarbe je nach Bildausschnitt – wenn beispielsweise nur die Hände zu sehen sind – zu stark entmenschlicht wird.

Um eine möglichst hohe Identifikationsfähigkeit zu gewährleisten und wieder mehr Menschlichkeit hineinzubringen, entschieden wir uns für einen mitteldunklen Hautton – nicht als Repräsentation einer bestimmten Herkunft, sondern als neutrale, universelle Basis.

Gleichzeitig haben wir uns dagegen entschieden, im Berufsinteressenstest verschiedene Hauttöne zu verwenden, um keine impliziten Zuschreibungen von Hauttönen zu bestimmten Berufsbereichen zu suggerieren.

Die Haare unserer Leitfigur leuchten in einem kräftigen Lila, um reale Zuschreibungen zu vermeiden.

Das Setting

Unser visueller Ansatz verbindet reale Fotos, die eine Verbindung zur Lebenswirklichkeit herstellen, mit gezielt eingesetzten illustrativen Elementen. Die Fotos schaffen einen Realitätsbezug, während die illustrierten Personen den Blick lenken und emotionale Nähe stiften. So entsteht eine Bildsprache, die klar, modern und inklusiv ist.

Der Outcome

Insgesamt sind 105 Illustrationen entstanden, die einen gestalterischen Ansatz verfolgen, der berufliche Orientierung klar, modern und bewusst divers abbilden soll.